memento mori

Prellböcke im Bahnhof Haarlem. Will sagen: hier endet was.

Zunächst vorneweg: Mir geht es gut. Sogar sehr gut. Vielleicht gerade wegen dem was ich im Herbst erlebt habe. Und das war doch bemerkenswert: Innert weniger Wochen erreichten mich fünf Todesnachrichten. In Zahlen: 5. Und darum wurde es auf diesem Blog auch so ruhig.

Da war mal der Vater einer Schülerin von mir, der überraschend verstorben ist. Dann der Tod von Muriel Furrer, der Velofahrerin, die an der WM in Zürich tragisch verunglückt ist. Ich kannte sie nicht, hätte die Nachricht beinahe überhört wenn nicht eine Schülerin von mir mit ihr befreundet gewesen wäre. Und die Nachricht erreichte sie während meines Unterrichts. Oder dann der plötzliche Tod von Ian Shipsey, einem Physiker aus Oxford. Mit ihm und seiner Gruppe habe ich im Rahmen des Mu3e-Experiment zusammengearbeitet. Er war eine bemerkenswerte Person und die Zusammenarbeit war äusserst angenehm. Und dann verstarb ein Kollege von mir an einem heimtückischen Krebs. Ich lernte ihn damals an der Ingenieurschule Burgdorf kennen und ich habe einige Jahre lang am Zentrallaboratorium des Blutspendedienstes des Schweizerischen Roten Kreuzes mit ihm zusammengearbeitet – ein Rattenschwanz von Firmenname. Seit einem Besitzerwechsel heisst der Betrieb CSL Behring, was doch wesentlich kürzer ist. Und dann erreichte mich noch die Nachricht vom Tod des Vaters einer meiner besten Freunde.

Das war schon eine rechte Häufung. Es war etwas gar viel davon. Darum wurde es hier im Blog auch so ruhig. Ich wurde nachdenklich: „Memento mori“.

Im Sommer machte ich ja eine mehrtägige Hüttenwanderung, den sogenannten Kesch-Treck. Davon hatte ich im Oktober berichtet. Der geht über die Grialetschhütte zur Kesch-Hütte und dann zur Es-Cha-Hütte. Er wird oft begangen und so kam es, dass ich morgens jeweils zeitgleich mit einem Niederländer gestartet bin. Er war bei den Anstiegen dann langsamer als ich, aber wir trafen uns dann beim Rasten und spätestens auf der Hütte wieder. Da hat man Zeit und erzählt einander einiges. Er hat mir über die Niederlande erzählt, einem Land, das ich kaum kannte. Ich war einmal in Utrecht und einmal in Amsterdam an einem Kongress. Da kriegt man nicht wirklich viel vom Land mit. Daheim leihte ich mir in der Bibliothek ein Buch über die Geschichte der Niederlande von Christoph Driessen aus. Sehr lesenwert. Und etwa zur Zeit der Todesnachrichten las ich dann noch ein Buch mit Essays über die niederländischen Meister („The upside-down world—Meetings with the Dutch masters“ von Benjamin Moser). Das brachte mich auf die Idee, die eine Woche ohne Vorlesungen im November für eine Reise in die Niederlande zu nutzen. Ich besuchte dabei das Mauritshuis in Den Haag, das Frans Hals Museum in Haarlem und das Rijksmuseum in Amsterdam. Wunderbare Orte der Entschleunigung.

Warum erzähle ich das? In vielen Bildern des 17. Jahrhunderts tauchen immer wieder sogenannte memento mori-Elemente auf: Stilleben mit Schädeln, verloschenen Kerzenstummeln, welken Blumen, schlecht gewordenen Lebensmitteln. Früher habe ich mich über diese Gemälde gewundert und mich gefragt, warum jemand so etwas malt oder so etwas kauft und bei sich aufhängt. Jetzt verstehe ich es.

Memento mori. Alles ist vergänglich. Eigentlich gut zu wissen. Eigentlich sollte man sich dessen immer wieder bewusst sein. Es erdet. Und das ist gut. Und es hilft zu fragen, welche Spur man auf dieser Welt hinterlässt. Ist es eine gute Spur?

Pieter Claesz: Vanitas-Stilleben, 1630. Mauritshuis. Fast alles im Bild will memento mori sagen.
Scheveningen, Den Haag.
Irgendwie klar was man hier machen soll, oder?
Haarlem.

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